Wenn alles zu viel wird, denken pflegende Angehörige oftmals sofort: „Ich habe versagt“. Sie glauben, dass diese Überforderung den praktischen Aufgaben wie der Organisation der häuslichen Pflege und dem damit verbunden Zeitaufwand geschuldet ist. Doch oft sind es eher die seelischen Belastungen, die zu einer Überforderung führen.

Schon bei der Entscheidung, die Pflege zu übernehmen, werden pflegende Angehörige von Moralvorstellungen und Erwartungen der Familie, Nachbarn und der Gesellschaft geprägt. Durch ihr Verantwortungsgefühl füreinander und die Erwartungen von außen kommt es oft dazu, dass Angehörige die Pflege übernehmen, obwohl sie es nicht wirklich wollen. Sie verdrängen ihre Bedenken, was wiederum dazu führen kann, dass sie einfach in die Pflegesituation hineingleiten. Auf einmal ist alles anders. Viele Aufgaben, die der Erkrankte vorher erledigt hat, muss nun der Pflegende übernehmen. Es kommt zum Rollentausch und zur Übernahme weiterer Rollen.

Veränderungen in der Ehe

Wenn die Ehefrau ihren Mann pflegt, sieht es häufig so aus: Bisher hatte der Ehemann ein bestimmtes Aufgabengebiet (z. B. Gartenarbeit, Reparaturen, Entsorgung), nun muss die Ehefrau sich um alles kümmern und darüber hinaus ihren Ehemann versorgen und ihm Grenzen setzen. Sie muss alle Entscheidungen treffen und sich in viele Angelegenheiten neu einarbeiten, wie z. B. Bankgeschäfte, und handwerkliche Tätigkeiten im Haus erledigen. Hinzu kommt die Angst, Fehler zu machen oder den Alltag nicht mehr bewältigen zu können.

Das Verhältnis von Kindern und Eltern

Bei Kindern von Pflegebedürftigen ist der Rollentausch ebenso schwierig: Sie sind es gewohnt, dass die Eltern immer für sie da waren und ihnen mit Rat und Tat zur Seite standen, sie beschützt und gestärkt haben. Jetzt ist es umgekehrt, nun tragen die Kinder die Verantwortung. Viele haben Angst, Fehlentscheidungen zu treffen und die Pflege und Betreuung nicht gut genug auszuführen.

Von der Belastung zur Überforderung

Je länger die Pflegesituation anhält, desto zeitintensiver und schwieriger wird sie. Das hat auch mit dem Krankheitsverlauf zu tun, z. B. demenzkranke Menschen bauen in allen Bereichen immer mehr ab und die pflegenden Angehörigen sind gezwungen, es mit anzusehen, während der Krankheitsverlauf nicht aufzuhalten ist. Dies mitzuerleben schmerzt und verursacht Angstgefühle bei den Pflegenden. Je mehr der erkrankte Mensch abbaut, desto mehr Arbeit und Zeit müssen die Pflegenden investieren. Dabei haben pflegende Angehörige auch ihr eigenes Leben mit vielen Aufgaben und Pflichten, die sie weiterhin erfüllen müssen. So wird aus der Belastung schnell eine seelische Überforderung.

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